Und – lassen die sich überhaupt beraten??
Hier Antworten auf die am häufigsten gestellten Fragen:
1.) Wie lange beraten Sie bereits Politiker bei diesem Thema?
Kommen diese immer auf Sie zu oder bieten Sie auch Ihrerseits spontan Ihre Unterstützung an?

Ich berate seit über 10 Jahren bereits Politiker. Kurioserweise habe ich in Italien begonnen, Politiker zu beraten, als ich für ein Italienisches Forschungsinstitut in Mailand an einer Studie zum Thema Emissionsrechtehandel in Europa und Italien mitgearbeitet habe. Damals haben wir den Umweltminister Dr. Corrado Clini beraten- auch während der Klimaverhandlungen. Seit der Übernahme der Abteilungsleitung am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung im Jahre 2004 beraten wir Ministerien, einzelne Politiker oder aber auch die EU Kommission. Ich berate beispielsweise seit 2007 in einer persönlichen Beratergruppe den EU Präsidenten zum Thema Energie und Klimaschutz. Ich habe aber auch verschiedenste Landes- und Bundespolitiker beraten. Indirekt berate ich sicherlich auch durch öffentliche Vorträge oder Stellungnahmen.Die direkte aktive Beratung beruht immer auf direkte Nachfrage seitens der Minister bzw. Ministerien.

2.) Gibt es ein „Klima/Energiethema“, das Ihnen besonders auf der Seele brennt, wo Sie den größten Handlungsbedarf sehen?
Eindeutig die Abkehr vom Öl. Wir wissen seit 30 Jahren, dass uns das Öl ausgeht, dennoch basiert die globale Wirtschaft noch immer nahezu vollständig auf billigem Öl. Technologische Alternativen insbesondere im Bereich Mobilität kommen nur schleppend voran. Erst bei einem Ölunfall wie im Golf von Mexiko wird wieder öffentlich über das Thema nachhaltige Energieversorgung gesprochen. Doch leider viel zu halbherzig. Anstelle das Problem wirklich anzugehen, wird ein Schuldiger- der Energiekonzern- vollständig für das Energieproblem verantwortlich gemacht. Sicherlich hat der Ölkonzern viel falsch gemacht und muss für die Umweltverschmutzung haften. Die Wurzel des Problems hat man jedoch nicht angepackt, nämlich die Nachfrageseite. Die Industriestaaten allen voran USA verschwenden unglaublich viel Energie, indem sie die auf Öl basierende Mobilität künstlich billig halten, Gebäude schlecht isolieren und keine Alternativen zum Öl an den Markt bringen. Das ist die eigentliche Katastrophe.

3.) Bei welchen Energiethemen kommt die Politik auf Sie zu?
Was wird da genau bei Ihnen abgefragt?
Welche Fragen haben welche Politiker konkret an Sie?
Können Sie da evtl. 2-3 Beispiele nennen?

Eigentlich gibt es Anfragen für nahezu allen Energie- und Klimaschutzthemen. Abgefragt werden in erster Linie die wirtschaftlichen Konsequenzen von Energiepolitik oder einer nachhaltigen Energie- und Mobilitätswende. Also beispielsweise welche Beschäftigungseffekte durch die Einführung einer Ökosteuer, des Emissionsechtehandels oder einer Verlängerung der Laufzeiten von Kernkraftwerken entstehen. Wir errechnen die Beschäftigungseffekte der Förderung erneuerbarer Energien und welche Auswirkung die Förderung auf den Strompreis hat. Oder aber wie hoch ein mögliches Steueraufkommen bei der Einführung einer Brennelementesteuer sein könnte. Oder aber ob eine Einführung einer PKW Maut volkswirtschaftlich Sinn macht.

4.) Wie sieht dann eine solche Beratung im Bereich Energie dann genau aus?
Wie gehen Sie da ran?

Mein Team und ich erstellen zumeist Studien zu den gewünschten Themen. Am DIW werden umfangreiche Datensätze über die Energiebilanzen, Verkehr in Zahlen und ökonomischen Kenngrößen ermittelt und gesammelt. Anhand der Datenanalysen und mathematischer Computer- Simulationsverfahren ermitteln wir die gewünschten Szenarien und volkswirtschaften Effekte. Diese werden in Studien zusammengefasst und die Ministerien übergeben. Was davon letztendlich in den politischen Gestaltungsprozess einfließt, ist außerhalb unseres Einflussbereichs.

5.) Wo bestehen die größten politischen Defizite aus Ihrer Sicht im Bereich Erneuerbarer Energien?

Deutschland hat im Bereich erneuerbarer Energien viel richtig gemacht, indem schon sehr früh eine gezielte wirtschaftliche Förderung eingeführt wurde. Dadurch ist der Anteil der erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung stark gewachsen. Heute benötigen wir dringend den Ausbau der Netze aber auch der Energiespeicherung. Ohne Energiespeicher können die Volatilitäten bei der Erstellung von Energie durch erneuerbare Energien nicht ausgeglichen werden.

6.) Was war Ihr bisher größter Erfolg im Bereich Politikberatung?
Wie erfolgreich ist der Input von Wissenschaft generell bezüglich des Einflusses auf Politiker/bzw. die Politik (Bitte 1-2 Beispiele)

Der EU Kommissionspräsident Manual Barroso war und ist sehr offen für das Thema nachhaltige Energieversorgung und Klimaschutz. Durch ihn wurde historisch einmalig das Thema Energie mit Klimaschutz vereint. Besonders gefreut hat mich seine Stellungnahme zu meinem Buch „Die andere Klimazukunft“, er hat ein wichtiges Kernanliegen von mir bestätigt, in dem er auf die wirtschaftlichen Chancen verwiesen hat, er sagte wortwörtlich: „Claudia Kemfert zeigt, dass der Klimawandel nicht nur eine Bedrohung ist, sondern auf unserem Weg in eine kohlenstoffarme Wirtschaft auch großartige Chancen liegen.“ Klaus Töpfer hat einmal gesagt „Claudia Kemfert hat immer wieder dort argumentiert, wo andere polemisiert oder emotionalisiert haben.“ Es freut mich riesig, dass Sachargumente ankommen- und diese sich dann auch in der politischen Ausgestaltung wieder finden, wie etwa die Förderung erneuerbarer Energien, der Einführung von Energiesteuern und die Abschaffung von Subventionen fossiler Energien.

7.) Welche Rolle spielen Verbraucher und Wirtschaft bei der Umsetzung politischer Richtlinien?
Eine große! Ohne die Wirtschaft kann die Energiewende gar nicht gelingen. Wir benötigen so rasch wie möglich eine klimaschonende, sichere und auch bezahlbare Energiebereitstellung sowie nachhaltige Mobilität. Dieser Umbau kann nur durch die Wirtschaft geschehen. Aber auch die Verbraucher können und müssen die Wende aktiv mitgestalten. Durch gezielte Kaufentscheidungen kann man den Markt mitbestimmen. Ein Beispiel: anstelle eines Autos mit Verbrennungsmotor kann man ein Erdgas- Wasserstoff, oder mit nachhaltigen Biokraftstoffen betriebenes Fahrzeug kaufen. Wenn dies alle tun würden, könnte man auf Tiefseeölbohrungen verzichten.

8. Wie kann die Wissenschaft die Politik zum Handeln bewegen (generell und im Bereich Erneuerbarer Energien)?
Geht dies nur über das Geld/bzw. die Kosten?

Hauptsächlich. Denn schöne Worte bewirken so gut wie nichts. Ohne finanzielle Anreize wäre der Ausbau der erneuerbaren Energien nie in dem Umfang vorangekommen. Teure Preise für fossile Energie bewirken einen effizienteren Umgang mit Energie oder auch einen Umstieg auf nicht fossile Kraftstoffe.

9.) Sie sagen, dass politische Signale oftmals ungeahnte Kräfte freisetzen können. Wie?
Haben Sie ein Beispiel dafür?
Vielleicht auch eines, bei dem Sie den Impuls für ein solches Signal gegeben haben (im Bereich Energie)?

Ein Beispiel wäre die Einführung von Russfiltern bei Kohlekraftwerken oder auch bei Fahrzeugen. Die Wirtschaft wehrt sich reflexartig immer gegen jegliche Art von Reglementierung und drohen sofort mit Abwanderung und Arbeitsplatzverlusten. Die Politik hat sich in beiden Fällen durchgesetzt, sehr zum Wohl der Umwelt. Heute sind Russfilter selbstverständlich- und niemand ist abgewandert. Im Gegenteil, es zeigt einmal mehr, dass Klimaschutz Arbeitsplätze schafft. Die deutsche Autobranche ist das beste Beispiel für ein derart zögerliches Verhalten. Die nachhaltige Mobilität wie z.B. ein Hybridwagen, der Einsatz von alternativen Kraftstoffen wurde immer unterschätzt. Mittlerweile hat in der Wirtschaft jedoch ein Umdenken begonnen, es gibt große deutsche Unternehmen, die massiv in den Bereich der intelligenten Netze, erneuerbare Energien und nachhaltige Mobilität investieren. Wir haben beispielsweise schon lange für den Abbau der hohen Vergünstigungen bei den Energiesteuern geworben oder aber auch für eine Versteigerung der Zertifikate beim Emissionsechtehandel. Beides ist mittlerweile in die aktive Politik eingeflossen.

10.) Welche Rolle spielen Erneuerbare Energien generell aus Ihrer Sicht, was Klimaschutz und Kosten angeht?
Welche Rolle spielen sie aus wirtschaftlicher Sicht?

Die erneuerbaren Energien spielen die zentrale Rolle, denn mittel- bis langfristig werden wir uns komplett von den fossilen Energien verabschieden müssen. Wir werden künftig Energie aus erneuerbaren Energien dezentral im Haus bzw. in einer Siedlung herstellen und sie auch für die Mobilität nutzen können. Zusätzlich wird es aber auch Großprojekte geben, die z. B: Wasserkraft im Norden Europas und Sonnenenergie im Süden Europas nutzen, um die großflächige Energieversorgung zu gewährleisten. Heute ist die Energiegewinnung aus erneuerbaren Energien zwar noch vergleichsweise teuer, die Kosten werden jedoch drastisch sinken.

11.) Sie sagen, dass Sie als Wissenschaftlerin durch die Politikberatung gelernt haben, den Spatz in der Hand zu würdigen.
Inwiefern (könnten Sie das erläutern) und was wäre etwa ein solcher Spatz in der Hand (im Bereich Energie)?

Es gibt Kollegen, die fordern gebetsmühlenartig immer und immer wieder Lösungen, die im politischen Gestaltungsprozess nicht zu erreichen sind. Es ist beispielsweise richtig, zu fordern, dass wir einen globalen Klimaschutz benötigen. Im Umkehrschluss jedoch zu folgern, dass es keinen Sinn macht, dass Kommunen oder Länder beginnen, die nachhaltige Energiewende einzuleiten, ist nicht nur widersinnig sondern vor allem kontraproduktiv. Die Nationen haben allesamt so unterschiedliche Interessen, dass man kaum eine für alle Seiten zufrieden stellende Lösung zeitnah bekommen wird. Die alleinige Forderung nach volkswirtschaftlicher Effizienz bringt uns nicht weiter. Denn wir haben keine Zeit mehr. Wir dürfen uns nicht weiter im Kreis drehen und mit dem Finger auf andere zeigen. Das Klima verändert sich, fossile Energien allen voran Öl wird knapper und teurer und wir müssen rasch und aktiv handeln. Das macht Europa und auch die deutsche Bundesregierung goldrichtig: die setzt die richtigen Signale, ist damit Vorreiter und schafft zudem noch einen Wettbewerbsvorteil. Die USA werden bei immer weiter steigenden Ölpreisen die größten volkswirtschaftlichen Probleme beim Umbau des Energiesystems bekommen. Denn ein Energiesystem kann man nicht mal eben schnell umbauen, der Ausbau der Infrastruktur, die Einführung neuer Fahrzeuge oder der Bau neuer Kraftwerke dauert Jahrzehnte. Da macht es durchaus Sinn, im Kleinen zu beginnen und sich auch über kleine Erfolge zu freuen: wenn ein Dorf beispielsweise dem Umstieg schafft oder aber die erneuerbaren Energien sukzessive an Kraft gewinnen.

12.) Ihre Botschaft: Es macht Spaß, das Klima zu schützen.
Inwiefern?
Und wie kann die Politik das vermitteln?

Es macht Spaß, das Klima zu schützen, zudem generiert es Arbeitsplätze und verschafft so einen Wettbewerbsvorteil. Wir müssen den Teufelskreis durchbrechen, den ich in meinem Buch als „Klima-Karussell“ bezeichne: durch gezielte Kaufentscheidungen kann man ganz leicht das Klima schützen, indem man beispielsweise Ökostrom kauft, mit der Bahn fährt oder in Klimaschutz spendet. Die Unternehmen bieten mehr und mehr Klimaschutz- Produkte an und sehen die Wettbewerbsvorteile. Die Politiker setzen die richtigen Signale- und können sich zurückziehen, wenn der Markt etabliert ist. Klimaschutz ist keine Last, sondern Wirtschaftsfaktor.